BDK-Antrag

Antrag zur BDK, 15.-17.11.2019 in Bielefeld

Dieser Antrag wurde von den Delegierten knapp nicht gevotet und somit von der BDK nicht behandelt.

„Die inklusive Gesellschaft gestalten, Demokratie bewahren, Spaltung und Ausgrenzung bekämpfen“

Wir erleben gerade eine Zeit großer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Einerseits droht der Verfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ganze Bevölkerungsschichten werden ausgegrenzt. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus nehmen zu und werden verstärkt durch die Politik der AfD, mit der nun eine völkische Partei in den Parlamenten vertreten ist. Die Gesellschaft spaltet sich in voneinander getrennte Gruppen mit unterschiedlichen Einkommen und Lebensbedingungen. Eigeninteressen werden auf Kosten gemeinsamer Lösungen durchgesetzt. Es kommt zu einem umfassenden Verlust von Werten wie Toleranz und Wahrhaftigkeit in ideologischen Auseinandersetzungen, in denen Augenmaß und differenzierte Darstellung keinen Platz mehr haben.

Andererseits wächst die Bereitschaft, sich für die Teilhabe anderer einzusetzen. Die Akzeptanz von Andersartigkeit nimmt ebenso zu wie die Bereitschaft zu finanzieller Unterstützung und zivilgesellschaftlichem Engagement für Benachteiligte. Menschen streben zunehmend nach gemeinschaftlichen Lebensentwürfen. Genau diese Haltungen braucht es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie braucht es auch, wenn wir die Erde für nachfolgende Generationen lebenswert erhalten möchten. Dies verlangt konsequente Entscheidungen und radikalen Wandel in vielen Bereichen. 

Nur mit demokratischen Werten und Kooperation sind Krisen zu meistern

Doch ausgerechnet jetzt steht unsere Demokratie unter erheblichem Druck. Parteien der neuen Rechten gewinnen im Herzen Europas spürbar an Einfluss. In Deutschland befinden sich die ehemaligen Volksparteien in der Krise. Die von gegenseitigem Überdruss geprägte Große Koalition steht weiterhin auf der Kippe. Gleichzeitig wächst die Zustimmung für grüne Politik. In vielen Städten stellen wir mittlerweile die stärkste Kraft, und auch im ländlichen Bereich erfahren wir große Zustimmung. Ein Stimmungsumschwung in Richtung grüner Meinungsführerschaft und grüner Gestaltungsmehrheiten scheint mit Händen greifbar nahe zu sein. Viele spüren: Es geht zunehmend um die eigene Existenz, zumindest die unserer Kinder. Klimaerwärmung und Artensterben müssen in Grenzen gehalten werden, sonst stirbt am Ende der Mensch selbst.

Für eine offene  und  inklusive Gesellschaft

Die freie und offene Gesellschaft gehört zu unserer grünen DNA. Eine vielfältige Gesellschaft mit unterschiedlichen Menschen, Gruppen, Zugehörigkeiten, Interessen, Kulturen, Glaubens- und Lebensweisen lässt sich niemals auf nur eine einzige „Wahrheit“ reduzieren, wie es in nationalistischen und diktatorischen Systemen zumeist zentral angelegt ist. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Öffnung der Gesellschaft zu mehr Lebensqualität geführt. Diese zu bewahren und fortzuentwickeln ist zentraler Ansatz grüner Politik.

Verteidigung von Freiheit und Offenheit benötigen jedoch eine Ergänzung, wenn sie nach einem Mehr trachten, als sich allein auf neoliberales Nützlichkeitsdenken zu reduzieren. Wir brauchen eine größere Verbindlichkeit, auf die sich die Menschen verlassen können. Dies bietet das Leitbild einer offenen und inklusiven Gesellschaft, basierend auf Menschenrechten, aus denen Ansprüche gegenüber Gesellschaft und Staat erwachsen. Nur eine inklusive Gesellschaft, die für die Unterschiedlichkeit der Menschen Raum schafft und sie zu einem verständnisvollen, toleranten und offenen Umgang in der Gemeinschaft ermutigt, kann den vielfältigen An- und Herausforderungen unserer Zeit standhalten. 

Gesellschaftliche Offenheit und Vielfalt sind wichtige Grundlagen, damit eine inklusive Gesellschaft funktionieren kann. Zur Offenheit gehört die Anerkennung von Diversität. Dafür braucht es Rahmenbedingungen und Regelungen, die eine ausreichende Einbeziehung aller sicherstellen. Nur dann ist eine Gesellschaft sowohl offen als auch inklusiv, wenn niemand ausgeschlossen ist. Gut begründete Ausnahmen müssen, wenn überhaupt, auf jene beschränkt bleiben, welche die Grundwerte nicht einhalten und auf deren Zerstörung aus sind.

Wir sind der Auffassung, dass der Gedanke der Inklusion zentral zu einer gerechten Gesellschaft gehört und daher im politischen Handeln von Bündnis 90/Die Grünen gestärkt und fest verankert werden muss.

Grundelemente einer inklusiven Gesellschaft leben

Die Erwartungen, die sich mit grüner Politik verbinden, sind heute besonders hoch. Viele Menschen vertrauen darauf und erwarten, dass wir einen spürbaren Kurswechsel herbeiführen. Dies gilt nicht allein für unsere politischen Kernthemen Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch im Blick auf die Erhaltung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Nur eine inklusive Gesellschaft, die Menschen nicht nach Merkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, Behinderung, Hautfarbe, sexueller Identität oder Orientierung sortiert, sondern alle einbezieht, kann ein gutes und friedliches Zusammenleben ermöglichen, an dem alle teilhaben. 

Eine inklusive Gesellschaft schafft Strukturen, die nicht ausgrenzen, sondern Nachteile ausgleichen. Strukturen, die Wahlmöglichkeiten erlauben und durch Transparenz und Einbeziehung Teilhabe schaffen. Wir setzen Mut gegen eine Politik der Angst. Dazu müssen wir Menschen wieder das Vertrauen vermitteln, in einem Staat zu leben, der für sie verlässlich da ist, wenn sie ihn brauchen.

Die inklusive Gesellschaft als Leitbild grüner Politik verankern!

Auf die eingangs beschriebenen besorgniserregenden Entwicklungen, die unsere Demokratie zunehmend spalten und gefährden, brauchen wir klare, vorwärts gewandte Antworten. Was wir politisch vertreten und einfordern, sehen wir als Bündnis 90/DIE GRÜNEN auch als Anspruch an uns selber. Deswegen ist es gut, das der Bundesvorstand eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die bis 2020 Vorschläge machen soll, wie die Vielfalt der Gesellschaft besser in unseren eigenen Strukturen gelebt werden kann. Wir erwarten, dass diese Arbeitsgruppe den breiteren Begriff der inklusiven Gesellschaft aufnimmt und ihre Vorschläge entsprechend gestaltet.

Die offene und inklusive Gesellschaft ist leitendes Prinzip grüner Politik, das sich als Querschnittsaufgabe durch alle politischen Felder zieht. Sie ist in grüner Politik zu verankern:

  • Wir Grüne stehen für eine inklusive Politik, die alle einbezieht. Maßstab inklusiver Politik ist das selbstverständliche Recht aller auf Selbstbestimmung und Teilhabe sowie gleiche Lebenschancen von Anfang an.
  • Inklusion ist ein Menschenrecht und betrachtet die Unterschiedlichkeit der Menschen als Normalität. Die Gestaltung einer inklusiven Gesellschaft ist Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern und will gesellschaftliche Strukturen schaffen, die Gleichberechtigung aller ermöglichen.
  • Bündnis 90/DIE GRÜNEN stehen für eine grundsätzliche Haltungin einer inklusiven Gesellschaft: einen wertschätzenden Umgang miteinander, eine fruchtbare politische Auseinandersetzung in gegenseitiger Anerkennung mit der Suche nach gemeinsamen, nicht ausgrenzenden Lösungen.
  • Die Inklusive Gesellschaft als Strukturprinzip werden wir in unserer Partei auf allen Ebenen verankern. Wir berücksichtigen sie bei allen politischen Gestaltungsvorschlägen und machen sie zu einem Grundprinzip unserer Programme und unseres praktischen Handelns. Deshalb achten wir insbesondere bei Listenaufstellungen für die Parlamente aller politischen Ebenen sowie bei den Kandidaturen für Parteiämter darauf, dass die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet ist und Menschen unterschiedlicher Ethnien, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher sozialer Herkunft und unterschiedlicher Behinderungen auf aussichtsreiche Plätze gesetzt werden.

Antragsteller*innen:

BAG Behindertenpolitik, BAG Arbeit, Soziales & Gesundheit, MdB Corinna Rüffer (KV Trier), MdB Kirsten Kappert-Gonther (KV Bremen), MdEP Katrin Langensiepen (KV Hannover), Michael Gerr (KV Würzburg-Stadt), Ute Michel (KV Hameln-Pyrmont), Horst Frehe (KV Bremen), Harald Wölter (KV Münster), Martina Hoffmann-Badache (KV Solingen), Annette Standop (KV Bonn), Ottmar Miles-Paul (KV Trier), MdB Ekin Deligöz (KV Neu-Ulm)